Zeit für eine Bestandsaufnahme: Nach einer langen Fahrt sind wir, die Reisegruppe Seltsam und ich, endlich im neuen Jahr angekommen. Am liebsten wäre ich sitzen geblieben und hätte weiter aus dem Fenster gestarrt. Dabei kann ich froh sein, es überhaupt bis hierhin geschafft zu haben. Dieses Glück hatten wahrlich nicht alle. Viva, Dawanda und der Tatortreiniger sind nur einige wenige Namen auf einer viel zu langen Liste.

Sony A7 R3 – Sony 55 mm 1,8 | @millennialdaniel

Selbst bei vertrauten Gesichtern kann es sich lohnen etwas genauer hinzusehen. Hinter manch altem Etikett verbirgt sich nicht selten Neues. Und neu ist leider nicht immer besser – auch wenn Barney Stinson hier anderer Meinung sein dürfte.

DJI Mavic 2 Pro

Anstatt die schönsten Momente der letzten 12 Monate (zusammen mit Prints und der Frage „Was war euer Highlight?“) in eine Social-Media-Tüte zu packen und als Happy-Meal zu verkaufen, bleibe ich – aus Angst mir schon zum Jahresbeginn den Magen zu verderben – erst einmal nüchtern.
Dabei weiß ich natürlich, dass Glücksversprechen weitaus besser verkäuflich sind als kritische Kost, die bekanntlich schwer verdaulich ist. Ergo erscheint es nicht verwunderlich, dass die breite Masse unentwegt versucht jede noch so kleine Chance auf ein besseres Leben zu nutzen.
Am nächsten Morgen mit einem Camper in “die Freiheit” aufzubrechen oder in einem Traumhaus aufzuwachen, bleibt für die meisten dennoch unerreichbar wie die Rückseite des Mondes. 

Nikon D800 – Nikkor 50 mm 1,4G | @charlotteclara_

Und so beginnt das neue Jahr, wie das alte angefangen hat. Was funktioniert, wird kopiert. Und selbst die Kopie der Kopie der Kopie kann man bedenkenlos ein zweites oder drittes Mal der treuen Gefolgschaft präsentieren – vorausgesetzt, man lässt zwischen den einzelnen Beiträgen etwas Zeit vergehen. Der Kreislauf wiederholt sich, bis einem irgendwann schwindelig wird.

Nikon D800 – Nikkor 50 mm 1,4G | @christyroth

Instagram ist mittlerweile unter dem inoffiziellen Namen „Nachdenkliche Sprüche mit Bilder“ bekannt. Dank Oscar Wilde und Mark Twain gewinnen auch die Beiträge mit langen, wehenden Haaren und viel nackter Haut endlich jene Tiefe, die sich bis jetzt nur im gezeigten Ausschnitt erahnen ließ. Nicht wenige Captions sind inzwischen länger als mancher Blogpost. Und durch zahlreiche Emojis geht die #Anzeige-Erwähnung hier noch schneller unter als die Sonne kurz vor der Polarnacht. Umso interessanter ist es, dass diese ganzen, vermeintlich positiven „Vibes“ bei der überwiegenden Mehrheit genau das Gegenteil bewirken.

Sony A7 R3 – Sigma 135 mm 1,8 ART

Der 18-jährige, in der Großstadt lebende Adventure-Fotograf und sein weibliches Pendant mit Hut stehen nur sinnbildlich für so viele, die mit der Gesamtsituationen unzufrieden sind. Denn wahres Glück ist bekanntlich da draußen in der Natur, wo man erst richtig abschalten und zu sich selbst finden kann – zumindest erzählen sie das, wenn sie immer und immer wieder durch die Gassen Hallstatts laufen oder Luchse durch Käfiggitter fotografieren.

Sony A7 R3 – Sony 55 mm 1,8 | @jakobteepe

Gleichzeitig versuchen Breakfast-, Live- und Travellover mit französischen Zöpfen in den Wäldern vor Köln das Meer und den Strand zu finden. Für einen Moment könnte man glauben nicht der einzige zu sein, der die Orientierung verloren hat.

Sony A7 R3 – Sony 55 mm 1,8 | @ilonamareke

Dies alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass mir die Social Media Welt noch nie so fremd war wie heute. Immer öfter fühle ich mich in ihr wie ein Elefant im Porzellanladen, der einfach nicht den Ausgang findet. Hinzu kommt, dass ich keine Lust mehr habe mich gegen diesen ganzen Zirkus aufzubäumen, geschweige denn verbiegen zu lassen wie ein Ipad Pro. Ich will nicht mit Chat- und Commentbots kommunzieren, sondern mit richtigen Menschen, die etwas zu sagen haben. Menschen, die ein Gespräch nicht von Zahlen abhängig machen, die unter irgendwelchen Bildern stehen, sondern mich in diesen Bildern sehen. Und obwohl es gefühlt weniger werden: Es gibt sie.

Nikon D800 – Nikkor 50 mm 1,4G 

Sie zu finden bleibt auch in diesem Jahr die einzig wichtige Aufgabe. Ich habe mir zudem fest vorgenommen, wieder mehr Portraits zu fotografieren, künstlerische Projekte umzusetzen und mehr Zeit in andere Plattformen wie Behance zu investieren – ohne natürlich diesen Blog außen vor zu lassen.

DJI Mavic 2 Pro

Das Fenster der Möglichkeiten (aka window of opportunity) scheint sich zwar jedes Jahr einen Spalt weiter zu schließen. Solange ich kann, klettere ich jedoch hindurch in meine kleine, kreative Welt, feile an den Details und flüchte vor den vielen Facebook-Seiten-Einladungen, Erwachsenen mit umgedrehten Basecaps, 150 Millionen Ronaldo-Fans, den immer gleichen Schriftarten von Reiseblogs, Luke Mockridge, jedem Avenger-Film und was sich mir sonst noch in den Weg stellt. Mit großen Schritten und einem langen Atem geht es also weiter Richtung letzte Wiese. Und obwohl die Zukunft wie immer ungewiss bleibt, kann ich es kaum abwarten ein Teil von ihr zu werden.