Fensterplatz
Die Zeit rast schon wieder davon und die zwei Tage Sommer, die Hamburg jedes Jahr erwarten, scheinen zum Greifen nah. Nicht mehr lange und meine Schwalbe fliegt bzw. knattert wieder über die Straßen dieser Stadt, die ich seit fast drei Jahren mein Zuhause nennen darf. Um wirklich dazuzugehören müsste ich wohl – wie all‘ die anderen hier – nicht auf zwei, sondern auf vier Rädern vor dem Alnatura parken, um wenig später den Kofferraum des Cayennes mit Quinoa und einem Sack Topinambur füllen zu können. Sollte ich jedoch irgendwann Vater von Kassandra-Kleopatra oder Siegenot-Otis werden, führt wohl kein Weg am Porsche-Händler vorbei, vorausgesetzt ich will mich nicht direkt vor der Kita zum Gespött der andere Eltern machen.
Vorerst geht es jedoch zu Fuß weiter – ohne Kinderwagen und ohne SUV-Schlüssel in der Jackentasche. Und da ich mir auch in Zukunft keinen Neuwagen leisten kann, landete mein Erspartes stattdessen, nach vielen schlaflosen Nächten, auf der Theke eines Hamburger Fotogeschäfts. Wie sinnvoll diese kürzlich getroffene Entscheidung für eine neue Kamera war, werden wohl erst die kommenden Monate zeigen. Mir würde es schon reichen, wenn sie mich dazu motiviert weiterhin ein bisschen mehr von dieser Welt zu sehen. Schließlich will ich mit dem Rest da draußen gleichziehen und eines Tages, mithilfe von Photoshop, kleine Wanderer auf Bergspitzen platzieren, sodass ich mein Bild guten Gewissens mit dem Hashtag #liveauthentic versehen kann.
Vereitelt wurden meine edlen Pläne bis dato aber durch das Hamburger Shietwetter und so sitze ich seit Stunden vor meinem Fenster, schaue den Regentropfen beim Fallen zu und kann mich nicht entscheiden, wer nun das größere Übel darstellt: Max oder Stephanie Giesinger? Eines Tages werde ich auf diese Frage bestimmt noch eine Antwort finden – und wenn ich dafür als Gargamel barfuß mit einem einzigen Gesichtsausdruck durch New York laufen oder alleine mit einer OP-Narbe durch Alaska schwimmen muss.
A apropos Alaska. Vielleicht sollte ich meine Badehose im Schrank belassen und lieber einen alten amerikanischen Schulbus zum mobilen Eigenheim umbauen, mit LED-Lichtern verzieren und mich von Ort zu Ort vloggen. Und wenn mich am Ende doch meine fomo einholt, caste ich alternativ ein Hipster-Pärchen und irgendeinen treudoofen Alibi-Hund, und überlasse ihnen das Rampenlicht, während ich die Filmrechte an Netflix verkaufe. Einen Filmtitel habe ich auch schon im Kopf: „Expedition Cheesiness“.
Irgendwie habe ich ein gutes Gefühl, dass ich 2018 auf dem richtigen Weg bin. Vielleicht dreht TUI ja im Rahmen ihrer #capturethemoment-Kampagne in den kommenden Wochen noch einen Werbespot über mein großartiges Debüt als Regisseur, damit ich ebenfalls in Outdoorkleidung am Pragser Wildsee stehen kann, um endlich diesen einen Satz sagen zu können, der mir schon so lange auf der Zunge liegt: Ich bin Jonas Hafner. Und das ist meine Geschichte.
Ich finde es erstaunlich, wie aufmerksam du deine Umwelt und (online) Trends beobachtest. Ich laufe vergleichsweise mit Scheuklappen durchs Leben, Dinge wie die Expedition Happiness sind mir in meiner Bubble sehr fremd 😄 Das zweite Bild ist beeindruckend. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glauben, dass du die Wolken mit Photoshop reingezaubert hast. Und ich weiss nicht, ob der selbstironische Ton schon immer da war und mir erst jetzt auffällt oder ob er in diesem Post besonders deutlich zum Vorschein kommt (oder, dritte Option, ich bilde ihn mir ein), aber er gefällt mir. Ich sollte mich auch mal weniger ernst nehmen 😀
Ich bin gespannt, wohin es dich dieses Jahr verschlägt! Hast du schon Reisepläne?
Auch mir entgeht so viel – die Welt ist einfach unübersichtlich geworden. Der Sonnenuntergang im Bregenzer Wald war sogar noch besser als auf dem Foto, sodass ich mich kaum von ihm losreißen konnte. Man darf sich nie zu ernst nehmen, sonst verlässt einen viel zu schnell die eben noch sicher geglaubte Balance. Was schon sicher ist: Dieses Jahr geht es für eine Woche auf die Lofoten. Eigentlich hatte ich noch vor Island und den Faröinseln einen zweiten Besuch abzustatten, aber die Kosten für Mietautos im Hochsommer in Reykjavik sind leider jenseits von gut und böse – von einem Camper ganz zu schweigen. Falls du noch gute Tipps für Urlaubsziele hast, dann immer her damit :).
Schön dass einer mit einem fotografischen Blick wie du so die Distanz zum Jahrmarkt der Eitelkeiten halten kann. Danke für den Hinweis auf die „Giesingers“. Man ist ja immer wieder von HH beeindruckt, wenn man 2-3 Tage in der reichsten der deutschen Städte ist. Aber Ich weiß auch warum ich in die Provinz gezogen bin. Wobei es bei mir München war, vor dem ich geflohen bin. Austauschbar.
Wir haben uns im Januar Córdoba angesehen – und waren überrascht und begeistert. Die Lebenskultur dort unten ist diametral zu unserer: Essen und Familie ist alles, und Cayennes stehen ganz hinten auf der Liste. Gut angezogen zu sein dagegen ganz vorne. Und das auch bei den Familien, bei denen jeder zweite arbeitslos ist. Ich hatte meine Vollformat zwar dabei, aber alles mit meinem Smartphone geknipst. Geht wunderbar, und ich werde einen Illustrierten Reisebericht schreiben, der sich auch mit dem Unterschied von mediterranen und nordischen Wertehorizonten befasst. Bis dahin grüßt dich aus der Ostprovinz, nicht ohne eine Einladung auszusprechen (www.stadthaus-arnstadt.de), Jan.
Die Provinz wird wohl früher oder später auch mein Zuhause werden, da man sich hier – ohne Erbe oder kriminelle Machenschaften – kaum ein Grundstück leisten kann. Gut zu wissen, dass man auch dort glücklich sein kann und es einen nicht daran hindert weiterhin die Welt zu entdecken. Durch deinen Beitrag habe ich zudem richtig Lust auf mediterranes Essen bekommen :D.