Rote Linien

Am Ende eines jeden Jahres habe ich mich bis dato immer gefragt, wie es nach dem großen Feuerwerk (insofern es überhaupt erlaubt war ) wohl weitergehen wird. Dass es überhaupt weitergeht, ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Denn viel hätte nicht gefehlt und 2022 wäre ohne mich zu Ende gegangen. 
Um dies zu erläutern, müssen wir uns zurück in eine Zeit begeben, in der Eis noch einer Waffel serviert wurde und nicht von der Windschutzscheibe gekratzt werden musste…

Model: @estelle.sander

Es war irgendwann im Sommer, kurz nachdem bekannte Sinnfluencer entschieden hatten aufzuräumen (✎), als ich auf der griechischen Insel Kreta landete. Hier wollte ich zusammen mit anderen Fotograf*innen und Models für eine Woche einen Teil der unerwartet großen Insel erkunden.
Die ursprünglich gebuchte Unterkunft wurde aufgrund von Waldbränden (✎) nahe dem Grundstück vonseiten des Vermieters kurzfristig storniert, sodass wir eine Alternative finden mussten und glücklicherweise in einem kleinen Bergdorf nahe des Örtchens Sissi auch fanden.

Model: @_annoushkadora

Statt Buschfeuer waren wir die ersten Tage von Gewitterwolken eingekreist. Der hiermit einhergehende Regen trübte zwar nicht unsere Stimmung, jedoch den kleinen Pool, der direkt an einen lehmigen Abhang grenzte.
Während dieser gereinigt wurde, begaben wir uns anderweitig auf die Suche nach klarem Wasser und Sonnenstrahlen. Unsere Spur, oder besser gesagt der Wettbericht, führte uns mithilfe von drei Mietwägen auf die Südseite der Insel. 

Model: @alicemeckbach

Wir hatten gerade die dunklen Regenwolken hinter uns gelassen und sahen das libysche Meer am Horizont auftauchen… als das Schicksal (und unser Auto) eine unerwartete Wendung nahm. 

Model: @ela_boelling

In einer Kurve brach plötzlich das Heck aus und ich konnte vom Beifahrersitz nur noch zuschauen, wie wir der Schwerkraft folgend eine steile Bergklippe hinunterstürzten. Das Ende schien wie aus dem Nichts und unausweichlich vor mir aufzutauchen. Wie in Zeitlupe vergingen die Momente bis zum Aufprall, während ich mich am Gedanken festklammerte, dass meine Reise hier noch nicht vorbei sein kann. Dann gab es einen lauten Knall. 
Wenig später waren wir umringt von Polizisten, Feuerwehrleuten, Rettungsassistenten und einem Notarzt.
Dass wir alle diesen Unfall (der es auch in die Presse schaffte [✎]) ohne schwere Verletzungen überlebten, verdanken wir wahrscheinlich einer Gruppe griechischer Schutzengel, die im Anschluss an ihre Jahreshauptversammlung in Chania auch den Osten der Insel erkunden wollten.

Model: @sophiakdn

Der Unfall warf mich innerlich weit mehr aus der Bahn als ich zugeben wolle. Dennoch verbrachte ich anschließend noch einige schöne, überaus sonnige Tage in Griechenland – umgeben von wunderbaren Menschen (#), goldenen Stränden und kleinen Hundewelpen.  
Wer weiß, ob es diese Art von Trips und den zugehörigen Content in Zukunft überhaupt noch geben wird. Gut möglich, dass bald niemand mehr das Haus verlassen will. 

Model: @alicemeckbach

Heutzutage reichen ja schon einige Stichwörter und eine KI generiert im Handumdrehen ansehnliche Bilder (▶), die bereits jetzt in den sozialen Medien erfolgreich geteilt werden.
“Echte” Kunstwerke lassen sich zum Glück noch am Geschmack erkennen. Sollten wütende Klimaaktivisten jedoch irgendwann aufhören, Kartoffelbrei (✎) oder Tomatensauce (✎) auf alte Gemälde zu werfen und der technologische Fortschritt im selben Tempo voranschreiten, werden auch hier die Grenzen immer weiter verschwimmen (und selbst Texte wie dieser möglicherweise aus der Feder einer Maschine stammen [✎]).
Liest man die Kommentare unter solchen AI-Posts, muss man erschreckenderweise feststellen, dass längst nicht mehr alle wissen, welches Spiel hier gespielt wird und das Gezeigte für echte Fotos halten. 

Model: @estelle.sander

Inwiefern dies in Zukunft von Relevanz sein wird, sei dahingestellt. Schließlich haben Bilder schon lange ihr Haltbarkeitsdatum überschritten (✎) und mit jedem Tag prasseln mehr Videos auf uns ein. Daran ändern auch die Aufrufe der Social-Media-Prominenz (”Make Instagram Instagram again” [ⓘ]) oder verzweifelte Hybridbeiträge (”I am a photographer and I took this photo”) nichts.
Doch es wird bestimmt nicht lange dauern, bis die künstliche Intelligenz auch beim Thema Videos r-Werte erreicht, von denen selbst die neuste Omikron-Variante nur träumen kann. Und so ist die erste Oscar-Nominierung für einen KI-generierten Kinofilm wahrscheinlich nur einen Katzensprung entfernt…

Model: @sophiakdn

Apropos bewegte Bilder: Mein Ausflug in die TikTok-Welt war bis dato eher ernüchternd. Der Algorithmus, der nur mein Alter und Geschlecht kannte, fütterte meinen Feed zu Beginn ausschließlich mit sexistischen Videos (🖼). Zwar verschwanden diese (durch mein Zutun) wieder, wirklich interessanten Content konnte ich jedoch auch später nicht für mich entdecken. Dafür meide ich nun Aufzüge, aus Angst den Elevator Boys (ⓘ) zu begegnen. 
Schaut man sich die Nutzungsstatistiken an, dürfte mein niedriger Dopaminspiegel beim Phubbing (ⓘ) aber eher die Ausnahme darstellen. Bin ich wie Roger Murtaugh (ⓘ) vielleicht einfach zu alt geworden, wenn ich den Wunsch nach TikTok-Verbotsschilder vor bekannten Sehenswürdigkeiten (▶) nachvollziehen kann?

Model: @danlickert

Dabei stehe ich dem Thema Videos eigentlich sehr offen gegenüber. Zu sehr faszinieren mich die vielen kreativen Möglichkeiten, die hiermit einhergehen (können). Softporno-Reels und tanzende Teenager gehören aber definitiv nicht dazu. Für viele Models werden Instagram und “the Tok” dennoch immer bedeutender hinsichtlich der eigenen Karriere. Agenturen schicken ihre New Faces mittlerweile sogar zu Influencer-Bootcamps (die sie sich natürlich teuer bezahlen lassen). Man lernt hier, sich den gegenwärtigen Trends anzupassen, um möglichst schnell zu wachsen – was wiederum entscheidend für die Akquise neuer Jobs sein kann.

Model: @estelle.sander

Vielleicht ist es aber genau dieser Zeitgeist, dieses (unbewusste) Nacheifern von Trends, was viele auf der Stelle treten lässt – mich eingeschlossen.
Anstatt wirklich Neues auszuprobieren, lässt man sich von Algorithmen lenken. Zu groß ist die Angst, vom Reichweitenradar zu verschwinden und in der Bedeutungslosigkeit umherzutreiben.
Aber gerade hier draußen, fernab der POV-Videos und TikTok-Challenges, sind kaum Wellen zu spüren. Ohne das ständige Auf und Ab von Likes und Followern realisiert manche/r erst, wie ermüdend der Social-Media-Seegang auf Dauer sein kann. 

Model: @_annoushkadora

Und ja, auch ich bin müde geworden. Anstatt mich also wieder in die Fluten zu stürzen, die mich früher oder später ans selbe Ufer spülen würden, begab ich mich auf die Suche nach einem neuen Pfad.  
Mein Weg durch das Gestrüpp führte mich schließlich in eine dreidimensionale Welt (🔗), in welcher ich mich immer noch versuche zurechtzufinden. Obwohl ich hier erst am Anfang stehe, und Blender (🔗) Photoshop aussehen lässt wie Kinderspielzeug, freue mich über jeden kleinen (Fort)Schritt.
Ob es mir gelingt, das Gelernte eines fernen Tages mit der Fotografie zu verbinden, bevor die KI-Welle uns alle davon spült, bleibt zumindest fragwürdig. 

Model: @alicemeckbach

Bis es so weit ist, weiß ich weniger denn je wie es weitergehen wird und genieße es mehr denn je am Leben zu sein. 
Früher oder später sitze ich sowieso wieder auf meinem Surfbrett und freue mich auf neue Projekte und Gesichter, ein Wiedersehen mit allen anderen, und auf die vielen vielen Abenteuer, die mich hoffentlich noch erwarten werden.

Model Titelbild: @c.ella.vie


Leica Q2

Als ich mich Ende Oktober zwischen rauen Klippen am westlichsten Punkt des kontinentalen Europas wiederfand, baumelte zu meiner Freude eine kleine schwarze Kamera (mit einem noch kleineren roten Punkt auf ihrem Gehäuse) um meinen Hals. Der schmale, braune Ledergurt, an dem sie befestigt war, hatte keine Mühe, die nicht einmal 750 Gramm von einem Strand zum nächsten zu tragen. Bei all der Schwere, die uns momentan umströmt, tat es irgendwie gut barfuß – und zur Abwechslung ohne große Last auf den Schultern – durch die Brandung zu laufen.

Praia da Ursa

Irgendwann habe ich trotz IP 52 (Schutz vor Staub und bis zu 15° schräg fallendem Tropfwasser – wer auch immer das getestet hat) kalte Füße bekommen und die Leica Q2, über die ich heute sprechen will, fernab der tosenden Wellen einmal genauer betrachtet. Zuallererst fiel mir auf, wie wenig Knöpfe zur Auswahl stehen und sich der Verkaufsschlager aus Wetzlar diesbezüglich selbst gegenüber meinem Hemd geschlagen geben musste. Erstaunlicherweise erschwert dieses doch eher minimalistische Design das Arbeiten mit ihr nicht. Für die seltenen Fälle, in denen man Anpassungen vornehmen muss, helfen einem das strukturierte Menü und das berührungsempfindliche Display schnell weiter. ”Weniger ist mehr” scheint also auch im Kamerakosmos zu funktionieren.

Praia da Ursa

Die Brennweite von 28 mm entspricht in etwa der Hauptkamera eines sehr bekannten Smartphones mit abgebissenem Apfellogo auf der Rückseite. Will man “etwas näher dran sein” bietet der hochauflösende Vollformat-Sensor (47,3 Megapixel) zudem viel Raum für Freistellungsmöglichkeiten. Wem das nicht reicht, kann auch von den Makrofähigkeiten des Objektivs Gebrauch machen – dann allerdings nur mit einer maximalen Offenblende von 2,8 (anstatt 1,7). Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, diese Funktion an einem der mit Pudding gefüllten portugiesischen Blätterteigtörtchen auszuprobieren. Am Ende siegte aber immer der Hunger und die Leica Q2 war – trotz ihrer minimalen Belichtungszeit von 1/40.000 – einfach nicht schnell genug. Die besten Pastel de Nata, wie die oben aufgeführte Spezialität übrigens genannt wird, gibt es laut Google-Rezensionen übrigens in Belém (Pastel de Belem), einem Vorort von Lissabon. Nicht ohne Grund muss man sich hierfür in eine lange Schlange einreihen.

In allen anderen Situationen leistet der elektronische Verschluss jedoch ausgezeichnete Arbeit, und ermöglicht einem selbst mit der Sonne im Zenit und ohne ND-Filter die Blende ganz zu öffnen. Das mechanische Pendant habe ich erst gar nicht ausprobiert, auch wenn es bestimmt Gründe gegeben hätte, dies zu tun (z. B. um einmal den unverwechselbaren Leica-Sound erklingen zu lassen). Vielleicht genoss ich einfach die ungewohnte Stille. Kein Geräusch beim Auslösen der Kamera zu vernehmen, hatte definitiv etwas Beruhigendes.

Praia dos Três Irmãos

Praia dos Três Irmãos

Während viele meiner Freunde fast ausschließlich das Display auf der Rückseite ihrer Kameras zum Fotografieren verwenden, kleben meinen Augen meistens am Gehäuse wie Klimaaktivisten an Kunstwerken. Vielleicht habe ich hierdurch das Gefühl, die Welt um mich ausblenden zu können und so nur das Wesentliche im Fokus zu haben. Die Sucher der Leica Q2 kann mit seinen 3,68 Megapixel zwar nicht an den Flaggschiffen der Konkurrenz vorbeiziehen, lieferte mit der warmen Oktobersonne aber immer ein klares, natürliches Bild.

Praia da Falésia

Praia da Falésia

Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch ein bisschen Schatten. So führte der leichtgängige An-Aus-Schulter in meinem Rucksack ab und zu ein ungewolltes Eigenleben, was sich glücklicherweise nicht spürbar auf den Akkustand auswirkte. Wer sich etwas mehr Griffigkeit wünscht, kann auf die separat erhältliche Daumenstütze zurückgreifen oder hoffen eines Tages mit Geckohänden aufzuwachen. Letztere bleiben beim jetzigen Stand der Gentechnik in naher Zukunft leider pures Wunschdenken, weshalb die etwas mehr als 200 Euro für viele sicher eine sinnvolle Investition darstellen.

Praia da Falésia

Praia dos Três Irmãos

Verbesserungspotential gibt es auch beim Autofokus, dessen Geschwindigkeit und Treffsicherheit zwar sehr gut, jedoch nicht allen Situationen überragend ist. Außerdem hätte ich mir einen richtigen Augen-AF gewünscht, anstatt “nur” eine Gesichtskennung. Mein größter Kritikpunkt ist, und hier dürfte ich nicht alleine sein, das Fehlen einer 50-mm-Variante. Vielleicht ist es meiner mangelnden Erfahrung im Umgang mit weitwinkligen Objektiven geschuldet, aber insbesondere bei Nahaufnahmen von Menschen sind mir 28 mm manchmal zu viel des Guten. Heißt das nun, mit der Leica Q2 lassen sich keine guten Porträts aufnehmen? Das Gegenteil ist der Fall. Es ist nur ein anderer Look, den man mögen muss und der vielleicht nicht für jede Situation bzw. jedes Gesicht perfekt geeignet ist. Aber welches Objektiv ist das schon?

Praia da Ursa

Praia dos Três Irmãos

Dass die RAW-Files bereits kameraintern korrigiert sind, stört mich wenig – was ich nicht über die vielen Tik-Tok-Teenager sagen kann, die einem immer wieder ins Bild tanzen. Dank des großen Dynamikumgangs und der hohen Auflösung – gepaart mit der ausgezeichneten Schärfe der Festbrennweite – macht die Bearbeitung deutlich mehr Spaß als der Abschied von 25 Grad oder der letzte Blick aus dem Flugzeugfenster auf das schöne Portugal.

Praia da Ursa

Praia da Ursa

Praia da Falésia

Zusammenfassend kann ich sagen, dass man mit der Leica Q2 nichts falsch machen kann. Sie ist kompakt, robust, (in den meisten Situationen) schnell und liefert zudem eine herausragende Bildqualität. Vor allem aber macht es Spaß, mit ihr zu fotografieren. Wer sich von ihrem (durchaus gerechtfertigten) Preis nicht einschüchtern lässt, den erwarten höchstwahrscheinlich viele schöne Momente und Bilder, die sich am Ende des Tages nur schwer in Geld aufwiegen lassen.

Vielen Dank noch einmal an Alexander Görlitz von Foto Görlitz für die Möglichkeit diese wunderbare Kamera eine Weile begleiten zu dürfen.

Transparenz: Das Produkt wurde mir zu Testzwecken für einen Zeitraum von 3 Wochen von Foto Görlitz ausgeliehen. 


Nordnorwegen

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Kein Kaffee am Rande der Welt

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